
Am gestrigen Donnerstag wurde die sechste Ausgabe der bundesweiten Dokumentarfilmtage LETsDOK eröffnet. Am Starttag liefen in 16 Städten in ganz Deutschland Dokumentarfilme, an vielen Orten in Anwesenheit ihrer Regisseur*innen und weiterer Filmgäste. In Hamburg fand zur Eröffnung die Deutschlandpremiere von Alexander Kluges neuem Film PRIMITIVE DIVERSITY statt. Der 93-jährige Regisseur war in einem Interview zu sehen. Der Filmtitel bezieht sich auf die Filmgeschichte bis zum Jahr 1929, als die ersten Kameras noch die tatsächliche Realität festhielten, bevor diese inhaltlich verformt und bewusst (um)gestaltet wurde.
In Herzberg am Harz stellte Regisseur Michael Heuer HITLERS ZORN – DIE KINDER VON BAD SACHSA vor, gemeinsam mit Rainer und Carl Goerdeler, den Enkelsöhnen des hingerichteten Widerstandskämpfers Carl Friedrich Goerdeler. Der Film handelt von den Kindern der Widerstandskämpfer, die nach dem 20. Juli 1944 in ein Nazikinderheim nach Bad Sachsa im Harz verschleppt wurden. Erec Brehmer und Benjamin Rost präsentierten in München BORN TO FAKE, Marco Wilms in Potsdam – in Kooperation mit dem docfilm42 e.V. – MITTENDRIN und EIN TRAUM IN ERDBEERFOLIE, Daniel Abma in Zwenkau IM PRINZIP FAMILIE und Dietrich Schubert in Hillesheim NICHT VERZEICHNETE FLUCHTBEWEGUNGEN – um nur einige Beispiele zu nennen.
In den kommenden vier Wochen präsentieren viele weitere Filmschaffende und Protagonist*innen ihre Werke in ganz Deutschland. Bis zum 15. Oktober laufen rund 70 Dokumentarfilme in 200 Screenings. Viele Vorstellungen finden an Sonderspielorten statt und bringen den Kinodokumentarfilm in kleine Städte und Dörfer, in denen er ansonsten kaum präsent ist. Dazu gehören zum Beispiel in Brandenburg – in Kooperation mit dem docfilm42 e.V. – die Kulturkirche Bölzke, der Alte Reederei Kulturgasthof im Fürstenberger Seenland, der Ökospeicher Wulkow und der Umweltbahnhof Dannenwalde, in Schleswig-Holstein der Biolandwirtschaftsbetrieb Schümannhof und das Kulturhaus Wilster, in Niedersachsen der Kulturtreff Alte Töpferei Wietze-Jeversen, in Sachsen-Anhalt die Komturei Buro und in Sachsen das Rowi Labor in Rodewisch.
Das Motto der diesjährigen Ausgabe von LETsDOK lautet „Mehr Demokratie wagen“: Zahlreiche Dokumentarfilme vermitteln und stärken die demokratischen Grundwerte und fördern die Vielfalt, Chancengleichheit und Nachhaltigkeit. Viele Filme werden im Rahmen größerer Veranstaltungen gezeigt, zum Beispiel beim „Open Air am Kriegsklotz – Nein zum Militärmanöver“ in Hamburg. Bei „Mona Mur – In Conversation“ wird ein Showcase der Hamburger Künstlerin und Musikerin mit Dietmar Posts Filmporträt über sie verbunden. Der Film „Bukowski in Hamburg“ wird um eine Lesung mit Texten des Schriftstellers und Hamburger Zeitzeugenberichten ergänzt. An manchen Orten werden inhaltlich verbundene Filme zu einem Tagesprogramm kuratiert, zum Beispiel bei „Weibliche Wirklichkeiten“ in Hamburg.
Außerdem geben Filmschaffende (Online-)Workshops für Branchenkolleg*innen, Studierende und alle Interessierten, unter anderem zur Frage „Wie kommt mein Film zum Publikum – auch ohne Verleih“ oder zum Thema „Social Media für Dokumentaristen“. Der renommierte Kameramann Marcus Winterbauer spricht am Samstag bei der Sonderreihe „Kamera im Dokumentarfilm“ bei den Hessischen Dokumentarfilmtagen / LETsDOK, im Anschluss ist der von ihm gedrehte Film POL POT DANCING zu sehen. Paneldiskussionen drehen sich um Themen wie „Wo bleibt der unabhängige Dokumentarfilm? – Medien und Populismus“.
Viele Filmvorführungen werden begleitet von vertiefenden Gesprächen und Diskussionen mit Filmschaffenden, Expert*innen und Protagonist*innen. Darunter sind prominente Gäste wie die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Sie stellt den Film DIE UNBEUGSAMEN vor, in dem Politik-Pionierinnen der Bonner Republik porträtiert werden. Die DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe ist ebenfalls bei einer Vorstellung des Films anwesend, außerdem bei einem Screening von DER HELSINKI EFFEKT, der einen faszinierenden Blick auf die historischen KSZE-Verhandlungen in Helsinki 1975 wirft.
Der Protagonist Eric Wrede, Autor, Podcaster und Bestatter, begleitet den Film DER TOD IST EIN ARSCHLOCH. Oscar-Preisträger Pepe Danquart nimmt am Filmgespräch zu REISE NACH MOSTAR teil. Bei LOKI SCHMIDT – LEBEN ALS ABENTEUER spricht ein Schüler über die Lehrerin und Ehefrau von Helmut Schmidt, bei TIMESWINGS eine Jugendfreundin über die im Film porträtierte Konzeptkünstlerin Hanne Darboven.
LETsDOK ist eine bundesweite Initiative der AG DOK (Berufsverband Dokumentarfilm), die einem breiten Publikum wichtige aktuelle und hochwertige Produktionen präsentiert und für den Dokumentarfilm vier Wochen lang die größtmögliche Reichweite erzeugt. Organisiert wird LETsDOK erstmals vom Internationalen Dokumentarfilmfestival München (DOK.fest München) sowie von zwölf regionalen Teams in ganz Deutschland. LETsDOK findet zum sechsten Mal statt.