
In dieser Woche ging die Zugabe der bundesweiten Dokumentarfilmtage LETsDOK 2025 zu Ende. Die Hauptspielzeit dauerte vom 18. September bis 15. Oktober, im Anschluss wurde aufgrund des großen Zuspruchs an einigen Orten bei „LETsDOK extended“ weitergespielt. In den vergangenen sechs Wochen schaffte das Projekt eine große Präsenz für den Dokumentarfilm und brachte Kinokultur in viele kleine Gemeinden, in denen es keine Kinos gibt. In sämtlichen Bundesländern fanden Vorstellungen statt – und überall gab es Highlights.
In Schleswig-Holstein kamen in kleinen Orten zahlreiche Zuschauer*innen: In Bargteheide sahen sie EIN TAG OHNE FRAUEN und debattierten per Zoom mit Produzentin Hrafnhildur Gunnarsdóttir und Schriftstellerin Auður Jónsdóttir. Die Vorstellung wurde durch die örtliche Gleichstellungsbeauftragte unterstützt. In der Klappstuhlkultur von Kellinghusen lief in Kooperation mit dem Bündnis für Toleranz KEIN LAND FÜR NIEMAND. Nach dem Filmgespräch mit Regisseur Maik Lüdemann wurde spontan zu einer Spendensammlung für die Organisationen „Sea Eye“ und „Sea Watch“ aufgerufen. In Neustadt führten die Gäste nach DIE MÖLLNER BRIEFE ein angeregtes Filmgespräch mit Felix Fischer von der Opferberatungsstelle ZEBRA – auch für diese Institution wurden umgehend Spenden gesammelt. Wichtige Kooperationspartner in Schleswig-Holstein waren Ver.di Nord und die Arthur Boskamp-Stiftung.
In Hamburg war ein besonderes Highlight das Open-Air-Kino am Kriegerdenkmal als Protest gegen Militär-Übungen im Hamburger Hafen, mit vier Filmen, Diskussionen und einer Führung durch das Deserteurs-Denkmal neben dem „Kriegsklotz“. Dazu spielte die Hendrix-Band „Black Buddha“ thematisch passend „Star-Spangled Banner“ und „Machine Gun“. Zur Eröffnung von LETsDOK wurde der legendäre Filmemacher Alexander Kluge bei der Vorstellung seines neuen Films PRIMITIVE DIVERSITY über die Frühzeit des Kinos in Hamburg zugeschaltet.
In Niedersachsen und Bremen ergaben sich intensive Diskussionen, etwa in Herzberg nach Michael Heuers HITLERS ZORN – DIE KINDER VON BAD SACHSA mit Carl und Rainer Goerdeler, zwei Protagonisten des Films. Die Enkel eines Widerstandskämpfers des 20. Juli waren 1945 in Sippenhaft genommen und in ein Kinderheim in Bad Sachsa zwangseingewiesen worden, dort sollten sie unter neuen Namen ihrer Identität beraubt werden. In Hannover konnten die Zuschauer*innen nach DIE NUKLEARFALLE – PUTINS DEAL MIT DEM WESTEN mit Christian Meyer, dem niedersächsischen Minister für Umwelt, Energie und Klimaschutz diskutieren. Filmgespräche gab es außerdem mit Gernot Steinweg (WOHIN?, WACHSAM TAG UND NACHT, FASIA), Dietmar Post (MONA MUR – IN CONVERSATION), Sebastian Winkels (SOLDATEN DES LICHTS), Cornelia Grünberg (ACHTUNDZWANZIG) und David Bernet (SOLIDARITY).
In Brandenburg brachte der LETsDOK Partner docfilm42 e.V. 25 hochwertige Dokumentarfilme mit lebhaften Gesprächen in die Kinos, aber auch in Ökowerke, Open-Air-Spielstätten in malerischer Kulisse, ehemalige Bahnhöfe und Scheunen. Die Musikerin Mona Mur, Protagonistin von Dietmar Posts MONA MUR – IN CONVERSATION, tourte durch Brandenburger Orte und trat nach Regiegesprächen live auf. Zu sehen waren außerdem Filme wie DIE MÖLLNER BRIEFE in Anwesenheit des Protagonisten Ibrahim Arslan und DIE UNBEUGSAMEN Teil 1 und Teil 2, die politisch aktive Frauen in der Bundesrepublik und der DDR porträtieren.
In Berlin liefen zwölf Dokumentarfilme in elf verschiedenen Kinos. Bei vielen waren Mitglieder der Filmteams anwesend, und einige liefen in Berlin in Premiere, zum Beispiel David Bernets SOLIDARITY im großen Saal des Kant Kinos. Bei HOLLYWOODGATE waren der Oscar-nominierte Regisseur und Produzent Talal Derki und der preisgekrönte Regisseur Ibrahim Nash’at im großen Saal des fsk Kinos zu Gast. Die Regisseurin Martina Priessner nahm im selben Kino an der ausverkauften Vorstellung von DIE MÖLLNER BRIEFE teil. Außerdem leitete der international renommierte Kameramann Peter Zeitlinger ein Praxis-Seminar zu Plansequenzen im Dokumentarfilm – unter anderem mit Filmbeispielen aus seiner Arbeit mit Werner Herzog und Ulrich Seidl. Bei einem Kurzfilmabend beeindruckten junge Filmemacher*innen mit frischen Perspektiven und mutigen Themen, am Ende wählte das Publikum seine Favoriten. Bei LETsPITCH präsentierten Filmschaffende den Gästen spannende Projekte und vernetzten sich.
In Mitteldeutschland – Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt – fand LETsDOK oft fernab der Metropolen und an ungewöhnlichen Orten statt: Der Bestatter, Bestsellerautor und Podcaster Eric Wrede präsentierte in der ausverkauften Kreuzkirche Zeulenroda DER TOD IST EIN ARSCHLOCH, ein berührendes Porträt über das Sterben in unserer Gesellschaft. Ein weiteres Highlight in Thüringen war die Vorstellung von ZIRKUSKIND in Weimar: Hier traten die jungen Artist*innen des Kinder- und Jugendzirkus Tasifan auf.
Ein besonderer Spielort in Sachsen-Anhalt war der Gartensalon des Rittergutes Komturei Buro in Coswig. Hier präsentierte Regisseur Gerd Kroske noch vor dem Kinostart STOLZ UND EIGENSINN: Die filmischen Reflexionen der DDR-Arbeiterinnen weckten intensive Erinnerungen vieler Zuschauer*innen aus dem Landkreis Wittenberg. Komplexe Sichtweisen auf Frauenheilkunde bot GRETAS GEBURT in Magdeburg: Filmemacherin und Hebamme Katja Baumgarten diskutierte mit dem Publikum die vielschichtigen ethischen und gesellschaftlichen Fragen, die ihr Film aufwirft.
In Sachsen präsentierte die Filmemacherin Alina Cyranek gleich zwei Filme: Im ausverkauften Saal des Leipziger Passage Kinos sahen die Zuschauer*innen FASSADEN, den Gewinnerfilm des Filmfests Mecklenburg-Vorpommern über Missbrauch, Macht und das Wegsehen der Gesellschaft. In Annaberg zeigte die Filmemacherin KOMMEN GEHEN BLEIBEN über Eltern, die ihr Kind direkt nach der Geburt verloren haben. Das intensive Filmgespräch fand in Kooperation mit dem „Sternenkinder“-Projekt Diakonie Erzgebirge statt. Im ROWI-Labor in Rodewisch zeigte Kai von Westerman WIE ERICH SEINE ARBEIT VERLOR über den Wendeherbst 1989.
Auch in Nordrhein-Westfalen präsentierten viele Regisseur*innen ihre Werke persönlich, zudem gab es zahlreiche (Panel-)Diskussionen. In Wuppertal folgte auf THE PICKERS, einen Film über die Arbeitsbedingungen von Erntehelfer*innen in Europa, eine Diskussion mit Landwirt*innen. Über den Film WIE SCHAFFEN WIR DIE AGRARWENDE? debattierte das Publikum an einem passenden Ort: in der vollbesetzten Packhalle eines Biolandhofs im nordrhein-westfälischen Eitorf. In Köln drehte sich ein Workshop um die Frage „KI oder K.O.? – Chancen, Risiken und Reality-Check für Filmschaffende“.
In Rheinland-Pfalz wurde bei einem Open-Air-Event vor einer Mainzer Szenekneipe der Film KEIN LAND FÜR NIEMAND gezeigt, der Rettungseinsätze auf dem Mittelmeer sowie die Lebensbedingungen in Flüchtlingslagern an den europäischen Außengrenzen dokumentiert. Auf der Bühne sprachen Vertreter*innen des Mainzer Flüchtlingsrats RLP e.V., der Seebrücke Mainz, der Organisation „Seapunks“ und des Vereins zur Unterstützung von Menschen in Abschiebehaft. An vielen Orten ermöglichten lokale Kino-Initiativen die Vorstellungen, beispielsweise in Hachenburg, Mayen oder Hillesheim.
Im Saarland zeigten sich die Zuschauer*innen angetan von den zahlreichen anregenden Gesprächen mit Regisseur*innen und Filmschaffenden, die Einblicke in Produktionsprozesse und gesellschaftliche Hintergründe der Filme gaben, darunter Dietmar Post, Gabriele Voss, Christoph Hübner, Cornelia Grünberg, Yvonne Lachmann, Nora Mazurek, Sebastian Winkels und Lukas Reiter.
In Hessen boten die Hessischen Dokumentarfilmtage / LETsDOK zahlreiche Highlights mit Filmen an besonderen Orten. Besonders eindrucksvoll war das Fahrradkino: Hier strampelte das Publikum selbst für Strom und brachte dadurch die Leinwand beim Obst- und Gartenbauverein Altenhain (Bad Soden) und im Darmstädter Hofgut Oberfeld zum Leuchten. Bei der Veranstaltung „Kamera im Dokumentarfilm“ sprach Kameramann Markus Winterbauer im Frankfurter DFF Kino nach POL POT DANCING mit Prof. Dr. Malte Hagener über die künstlerischen Herausforderungen der dokumentarischen Bildgestaltung. Und wie im Jahr zuvor hatte das Team ein gutes Gespür bei der Filmauswahl: Marcin Wierzchowskis DAS DEUTSCHE VOLK gewann gerade den Hessischen Filmpreis 2025 für den besten Dokumentarfilm.
Ein Highlight in Baden-Württemberg war der Kurzfilmabend mit einem Filmgespräch mit drei Regisseurinnen über Identität, Erinnerung, Heimat und Heimatverlust im Wartesaal des Besigheimer Bahnhofs, einem wichtigen Kulturort der kleinen Gemeinde. Bei einer Schulvorstellung im Treff Q Marbach setzten sich Neuntklässler*innen mit BORN TO FAKE auseinander, auch im intensiven Gespräch mit Regisseur Benjamin Rost. Der Film über Michael Born und dessen journalistische Fälschungen ist im Zeitalter von Fake News und KI hochaktuell. In Ludwigsburg wurde KEIN LAND FÜR NIEMAND gezeigt, im Anschluss gab es ein Podiumsgespräch mit Konrad Ott (Die Linke), Olaf Oehmichen (SARAH Seenotrettung) und Silvia Maier-Lidle (Ökumenischer Arbeitskreis Asyl Bietigheim-Bissingen). Moderiert wurde die Diskussion von Martha Albinger (DFG-VK, Gruppe Ludwigsburg). Ein wichtiger Kooperationspartner in Baden-Württemberg war auch in diesem Jahr wieder das Haus des Dokumentarfilms – Europäisches Medienforum Stuttgart e.V. mit den Filmen WELTKARRIERE EINER LÜGE – DIE PROTOKOLLE DER WEISEN VON ZION von Felix Moeller und MANCHE MÖGEN’S FALSCH von Stanislaw Much. Dieser Filmabend mit ausführlicher Diskussion schloss „LETsDOK extended“ in Baden-Württemberg ab und damit den diesjährigen Themenfokus „Identität & Fälschung“.
In Bayern gab es anregende Filmgespräche mit den Regisseur*innen Erec Brehmer und Benjamin Rost (BORN TO FAKE), Olga Kosanović (NOCH LANGE KEINE LIPIZZANER), Loraine Blumenthal (IM OSTEN WAS NEUES), David Bernet (SOLIDARITY), Johannes Büttner (SOLDATEN DES LICHTS) und vielen mehr. Im Anschluss an DIE MÖLLNER BRIEFE fand in den City Kinos München ein eindrückliches Gespräch mit Regisseurin Martina Priessner und Yasemin und Engin Kılıç statt, den Eltern des beim rassistischen Anschlag am Olympiaeinkaufszentrum ermordeten Selçuk Kılıç. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Petra-Kelly-Stiftung, der Initiative „München erinnern“ und der Antirassismusgruppe München von Amnesty International München & Oberbayern statt.
LETsDOK stand in diesem Jahr unter dem Motto „Mehr Demokratie wagen“ und gab vielen Akteur*innen eine Stimme, die sich für eine offene und solidarische Gesellschaft einsetzen. Doch das inhaltliche Spektrum war noch deutlich breiter. Insgesamt waren 148 Filme zu sehen, am häufigsten gezeigt wurden MONA MUR – IN CONVERSATION, NOCH LANGE KEINE LIPIZZANER, DIE MÖLLNER BRIEFE, EIN TAG OHNE FRAUEN, KEIN LAND FÜR NIEMAND und SOLDATEN DES LICHTS.
David Bernet (Ko-Vorsitzender der AG DOK): „Bei LETsDOK 2025 sind wieder viele Menschen zusammengekommen, haben Dokumentarfilme gesehen, diskutiert und sich vernetzt: Filmemacher*innen und Publikum, Kulturbegeisterte, Engagierte und Ehrenamtliche aus Vereinen und Organisationen. Das ist angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Polarisierung und Vereinzelung von großem Wert – gerade an den Orten, an denen es nur wenige Kulturangebote gibt. Wir danken den vielen Personen in ganz Deutschland, die das mit großem, oft ehrenamtlichem Einsatz ermöglicht haben – und freuen uns auf LETsDOK 2026.“
LETsDOK ist eine bundesweite Initiative der AG DOK (Berufsverband Dokumentarfilm). Organisiert wurde LETsDOK in diesem Jahr erstmals vom Internationalen Dokumentarfilmfestival München (DOK.fest München) sowie von zwölf regionalen Teams in ganz Deutschland. LETsDOK fand bereits zum sechsten Mal statt.


